Ein nachbarliche Beziehung der besonderen Art
Das Verhältnis war noch nie einfach zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Mexiko. Die wirtschaftliche und militärische Weltmacht steht einem Entwicklungs- und Schwellenland gegenüber. Beide Länder befinden sich geografisch in Nordamerika, doch trifft die angloamerikanische auf die lateinamerikanische Kultur, zwei grundlegend unterschiedliche Weltansichten. Der grosse Nachbar mischt sich ein, ist dominant und arrogant. Mexiko wehrt sich, nimmt sich ein Vorbild, profitiert und geht seinen Weg – kommt jedoch irgendwie nie vom Fleck.
Geografische Grenze
Mexiko grenzt im Norden auf einer Länge von rund 3145 km an die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Rio Bravo ist der längste Fluss Mexikos. Er entspringt auf amerikanischem Territorium in den Rocky Mountains in Colorado und wird dort auch Rio Grande genannt. Er bildet auf rund 2000 km die natürliche Grenze zwischen den beiden Staaten und mündet schlussendlich in den Golf von Mexiko.
Klischees und Stereotypen
Als neutraler Beobachter scheinen die Klischees was Amüsantes an sich zu haben. Die involvierten Landsleute beharren oft aus purer Ignoranz auf ihren alteingesessenen Meinungen. So sehen die US-Amerikaner ihre südlichen Nachbarn als schnauzbärtige, mit Patronengürtel behangene und breikrempige Sombreros tragende Ganoven, welche sich gerne mit Tequila volllaufen lassen und sich auf Eseln fortbewegen. Western-Filme lassen grüssen. Weitere despektierliche Mutmassungen stempeln die Mexikaner als illegale Migranten, kleinkriminelle Drogendealer und Abzocker ab, welche den Amerikanern in ihrem Badeurlaub die Dollars abknüpfen. Da die Mexikaner in den USA oft minderwertige Jobs ausführen, wie Erntehelfer, Bauarbeiter, Kellner u.a., kursiert die Meinung, es gebe keine Bildung südlich der Grenze.
Im Gegenzug geizen auch die Mexikaner nicht mit wenig vorteilhaften Klischees. Sie betiteln die Amis als ein gebieterisches, arrogantes und überhebliches Volk, ohne Kultur und Geschichte. Amerikanische Besucher werden despektierlich als „Gringo“ angesprochen . Der Begriff stammt höchstwahrscheinlich aus den Kriegszeiten, als die in grünen Uniformen einmarschierenden US-Soldaten mit „Green go!“ zum Verpissen aufgefordert wurden. Und die Amis sprechen kein Wort Spanisch.
Liebesbeziehung
Nichtsdestotrotz sind die USA auch ein grosses Vorbild. Viele Mexikaner verherrlichen die USA, unterstützen schon mal lieber ein amerikanischen Football-Team als eine einheimische Fussballmannschaft, Kinogänger freuen sich auf den neusten Hollywood Blockbuster, Coca Cola ist bei weitem das Lieblingsgetränk der Mexikaner, Hamburger und Hot Dog Strassenbuden machen den Tacos Konkurrenz. Amerikanische Sportwagen sind genauso in, wie amerikanische Markenkleider oder elektronische Gadgets. Ein Trip nach Las Vegas, Los Angeles oder New York ist ein Lebenstraum.
Umgekehrt reisen Millionen von amerikanischen Touristen nach Mexiko. Von einem kurzen Tagesausflug zum Shopping über die Grenze, zu kulturellen Trips oder einfach Badeurlaub an den herrlichen mexikanischen Stränden entlang der Pazifiküste oder bei Cancún und der Riviera Maya in der Karibik.
Geschichte und die Niños Heroes
Eine tiefe Wunde in die mexikanisch-amerikanische Beziehung hinterliessen die Kriegshandlungen in den 1840er Jahren. Trotz nummerischer Überzahl verloren die Mexikaner unter General Antonio López de Santa Ana nach erbitterten Kämpfen den Krieg gegen die USA. Diese drangen bis in die Hauptstadt Mexiko City vor. Mit patriotischem Stolz versuchten jugendliche Soldaten beim Schloss Chapultepec sich gegen die Niederlage zu wehren. Die später als „Niños Heroes“ (heldenhafte Jugendliche) bezeichneten Kämpfer, werden noch heute verehrt und gefeiert und so mancher Strassenname und Monument gedenkt dem geschichtlichen Ereignis. Damit wollte die damalige Regierung wohl nur von den Fakten ablenken. Mexiko verlor damit nämlich nahezu die Hälfte seines Territoriums. Die Staaten Kalifornien, Texas, Neu Mexiko, Utah, Colorado und Arizona wurden von der USA annektiert, mit dem fadenscheinigen Argument, die Bevölkerung von den „bösen Mexikanern“ befreien zu müssen.
General Santa Ana wurde damit zu einer geschichtlichen Hassfigur für Mexiko. Der Nationalstolz war angekratzt und dem amerikanischen Aggressor wurde nie verziehen! Der Yankee-Imperialismus schürte schon immer anti-Amerikanismus, auch heute noch.
Politische Bühne
Die amerikanische Aussenpolitik war oft auf Konfrontation aus, trat die mexikanische Souveränität mit Füssen. Mexiko behauptete sich mit konträren politischen Tendenzen, die Regierung sympathisierte mit sozialistischen Staaten wie Chile unter Präsident Allende, Nicaragua mit den Sandinisten und mit Fidel Castros Kuba. Die mexikanischen Künstler Frida Kahlo und Diego Rivera boten dem russischen Flüchtling Leo Trotzki Asyl.
Ewiger Streitpunkt
Zu konstanten, gegenseitigen Anschuldigungen führt die Drogenpolitik Mexikos, respektive die Waffenpolitik der USA. Mexiko unternehme zu wenig im Kampf gegen die Drogenkartelle und die damit verbundene Korruption, heisst es aus Regierungskreisen der USA. Die Mexikaner kontern mit dem Argument, dass die ganzen Waffen der Drogengangs aus den USA stammen. Zudem werde nur die immense Nachfrage der US-amerikanischen Gesellschaft nach stimulierenden Substanzen befriedigt. Ohne Nachfrage würde es keinen Markt geben! Ein wahrer gesellschaftlicher Konflikt, der das Verhältnis noch jahrelang prägen wird. Andererseits kooperieren die beiden Länder immer stärker in der grenzübergreifenden Bekämpfung der Kriminalität.
Grenze und illegale Einwanderer
Eine grosse Belastung im Verhältnis der beiden Länder ist das Problem der illegalen Migranten. Hunderttausende von Mexikanern (und mittelamerikanische Latinos) überqueren jährlich illegal die Grenze ins gelobte Land. Teils werden sie von Schleppern (Coyoten genannt) in die USA geschleust. Oder sie gelangen als „wet backs“ (nasse Rücken), den Grenzfluss Rio Grande durchschwimmend rüber. Aufwendige Grenzwachen, Grenzzäune und Mauern konnten den Zustrom nur temporär verringern. Wobei behauptet wird, er werde absichtlich nicht effizient behindert. Die Nutzen der Arbeitsemigranten für die Landwirtschaft der USA überwiegen, die landwirtschaftlichen Betriebe sind auf niedrig bezahlte Saisonarbeiter für die Erntezeiten von Früchten und Gemüse angewiesen.
Wirtschaftliche Beziehung
Das Freihandelsabkommen NAFTA zwischen Mexiko, USA und Kanada (North American Free Trade Agreement), soll die wirtschaftliche Beziehung verbessern und intensivieren. Vor allem fliesst US-amerikanisches Kapital in grenznahe Produktionsbetriebe, „maquiladores“ genannt. Das relativ billige Lohnniveau wird ausgenutzt, um Halbfertigprodukte wie elektronische Geräte, Textilien, Zubehör für die Automobilindustrie etc. weiterverarbeiten zu lassen. Dann werden die Produkte steuerbegünstigt zurück in die USA geschaffen. Allein bei Tijuana gibt es Hunderte solcher „maquiladores“, in ganz Nordmexiko Tausende, welche geschätzte 1.5 Millionen Mexikanern Beschäftigung bieten.
Buchtipp
Das sehr empfehlenswert Buch „Tortilla Curtain“ (im deutschsprachigen Raum als „América“ betitelt) des amerikanischen Schriftstellers T.C. Boyle, gibt einen tragischen Einblick in die Schwierigkeiten von mexikanischen Migranten in den USA.