Arbeiten und Leben als Expat in Guadalajara
Der aus Sachsen stammende Dany hat den Schritt gewagt und ist nach Guadalajara ausgewandert. Hier erfahrt ihr seine Tipps zum Leben und Arbeiten in Mexiko, über Jobmöglichkeiten, kulturelle Unterschiede, Sprachstudium, seine Top-Reisetipps und vieles mehr.
Von Leipzig nach Mexiko
Ich wurde in einer Kleinstadt in der Nähe von Leipzig in der guten alten DDR groß. Studiert habe ich nie, sondern eine Berufsausbildung in einem metallverarbeitenden Handwerksberuf absolviert, später kam dann noch eine Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker in NRW. Bis heute blieb mein Berufsweg bodenständig praxisorientiert und ich kümmere mich um technische Belange einer global agierenden Unternehmung.
Ich lebte von September 1996 bis Januar 2014 in Mexiko – die meiste Zeit in der im östlichen Hochland gelegenen Metropole Guadalajara. Dort arbeitete ich ab 2009 für eine deutsche Firma, für die ich bis heute in Berlin tätig bin.
Hintergrund des Auswanderns
Der Auslöser um nach Mexiko auszuwandern waren familiäre Gründe. Mein Onkel lebte viele Jahre bis zu seinem Tod 1989 in Guadalajara. Dort lebte damals auch die Familie meines Cousins die ich 1994/95 zweimal besuchte. Dabei stellte ich fest, dass es ein interessantes Land ist und dort eine zwischenmenschliche Herzlichkeit herrscht, die ich nur aus der DDR kannte. Ursprünglich waren zwei Jahren geplant, um die Sprache zu erlernen, Land und Leute kennenzulernen. Später kamen sehr schnell Freunde und die Liebe hinzu, es wurden später 17 Jahre daraus.
Die meisten Freunde standen der Sache aufgeschlossen gegenüber und fanden es positiv, einige wenige meinten alles wäre zu unsicher, so fremd und viel zu weit weg. Na ja, was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Meine Familie war schon immer überschaubar, natürlich war sie nicht besonders begeistert, aber wo der Wille herrscht, da ist kein Weg zurück.
Aufenthaltsstatus und Arbeitsvertrag
Von Anfang an war mein Aufenthaltstitel nie an einen Arbeitsvertrag gebunden, sondern ich hatte den Status eines Touristen (FMT). Nach Antritt meiner ersten legalen Beschäftigung bei einem mexikanischen Unternehmen 1998 wandelte ich diesen in eine Aufenthaltsbewilligung mit Arbeitserlaubnis (FM2) um, die jährlich gegen eine nicht unbedeutende Gebühr erneuert werden musste. Nach spätestens 10 Jahren fällt diese Erneuerungspflicht weg und man erlangt den Status als Eingewanderter (residente permanente).
Löhne in Mexiko
Ob du von einem Gehalt in Mexiko gut leben kannst, kommt darauf an, ob du eher mehr oder eher weniger arbeitest. Da die meisten Lebenshaltungskosten geringer ausfallen, kann man im Vergleich zu europäischem Niveau mit sehr viel weniger Einkommen gut auskommen. Heutzutage sind viele Preise deutlich höher als vor Jahren, was mit der Abwertung des Pesos im Vergleich zum US-Dollar zusammenhängt. Falls möglich sollte man bei einem Arbeitsvertrag das Gehalt in Dollar vereinbaren, um dem schwankenden Wechselkurs zu entgehen.
Wirtschaftliche Entwicklung und Jobs
Mexikos wirtschaftliche Entwicklung in den letzten 15 Jahren hat vor allem im Zentrum des Landes stark zugelegt. Das Zugpferd ist die Automobilindustrie wegen der Nähe zum US-amerikanischen Markt. Als Facharbeiter mit etwas Berufserfahrung kann man hier schon mal einen Job als Ingeniero bekommen, mit Studienabschluss eine Position im Management oder Führungskraft mit Personalverantwortung. Gefragt sind meist technische Ausbildungen, aber auch Betriebswirtschaftler und weitere angrenzende Zweige wie Logistik, Aussenhandel und Dienstleistungen. Im Bildungs- und Ausbildungsbereich sind auch oft Ausländer zu finden. Nach einiger Zeit im Lande und etwas Startkapital stehen die Chancen für eine Selbstständigkeit auch nicht schlecht, wer möchte denn nicht gern sein eigener Herr sein.
Inwiefern fördert ein Job in Mexiko die Karriere?
Das ist differenziert zu sehen, beim Wechsel von Mexiko nach Deutschland blieb ich der gleichen Firma treu und so hatte ich einen glatten Einstieg. Ich meine es ist absolut förderlich. Unsere Welt ist sehr viel globaler geworden als vor 20 Jahren, Mexiko hat sich rasant zum Industrie-Hotspot entwickelt. Angefangen von Nord- bis Zentralmexiko, deutlich mehr als die ganze 80er Jahre als entlang der der Grenze zur USA die Fertigungsfabriken maquiladoras entstanden. Einer der dort unter schwierigen Bedingungen tätig war, vorzeigbare Erfolge verbuchen kann, was soll denn dann schiefgehen?
Außerdem hat man ja schon gewisse mexikanische Soft Skills erlernt, die einfach alles ermöglichen z.B. rhetorische Kenntnisse um jedes Wort zu vergrößern („que trabajóte tuvé que hacer para logralo“ oder „cada día tengo un montonón de pendientes“) bzw. zu verkleinern („solo comi dos taquitos“ oder „quiero solamente un poquitito“)
Bei absoluter Ahnungslosigkeit im Falle einer Schuldfindung sehr ernsthaft den Schuldigen zu benennen, außer sich selbst natürlich, Gruppenerfolge sofort als persönliche Erkenntnis („YO soy chingon“) zu präsentieren o.ä.
Krankenversicherung und Altersvorsorge
Nach Arbeitsaufnahme ist man automatisch bei der staatlichen Krankenversicherung (IMSS) eingeschrieben und deine Firma zahlt monatliche Beiträge. Die Versorgung ist aussergewöhnlich schlecht, viele Einrichtungen überfüllt, lange Wartezeiten und unmotiviertes Personal. Neuerdings bieten viele Unternehmungen ihren Angestellten zusätzliche private Krankenversicherungen an, die ich unbedingt empfehle. IMSS wird zwar dennoch gezahlt, die private Versicherung im Normalfall zu 100% von der Firma.
Die Altersvorsorge muss privat bei einem AFORE z.B. bei einer Bank abgeschlossen werden. Das teilt man dann dem Arbeitgeber mit und dieser zahlt dann Beiträge dazu ein. Aus persönlicher Erfahrung weisse ich darauf hin, die persönlichen Daten bei diesen Angelegenheiten aufs peinlichste genau bei der Eintragung zu überprüfen. Falls es dabei zu Abweichungen kommt, hat man Jahre später das Problem sich bei diesen Stellen nicht identifizieren zu können. In meinem Falle ist die Altersvorsorge leider futsch, weil genau dieser Fall eingetreten ist.
Spanische Sprache
Als Sachse hat man naturbedingt etwas Probleme mit dem rollenden „R“, also wird dies ein ständiges Handicap bleiben. Südländer haben es da leichter (damit meine ich Leute südlicher als Leipzig). Ansonsten kann ich mich recht gut in jeder Situation verständigen und Slang-Wörter gehören natürlich auch zum angeeigneten Vokabular: no inventes güey, dame dos chelas, que chido, a toda madre, que pendejo usw.
Spanisch sprach ich am Anfang nur ein paar wenige Wörter und nahm etwa fünf Monate Sprachunterricht an einer Uni in Guadalalajara. Dort haben hauptsächlich nordamerikanische Studenten für einige Monate in Austauschprogrammen Spanisch studiert. Mein klarer Vorteil war zu diesem Zeitpunkt praktisch keine Englischkenntnisse zu haben, also konnte ich mit denen mehr schlecht als recht die Landessprache praktizieren. Außerdem haben sich unsere Lehrer im Unterricht und auch danach grosse Mühe mit uns gegeben ausgiebig zu praktizieren.
Mexikanische Freundschaften
Es dauert durchschnittlich weniger als eine Minute für einen ersten Kontakt, wenn man sich danach noch einmal trifft wird man umarmt, begrüßt und als super amigo den weiteren Anwesenden präsentiert und so geht’s weiter und weiter.
Ich mag die gelassene Art die Sachen zu machen, die positive Einstellung auch wenn alles schlecht läuft (selbst dann noch zu lachen), hohe Improvisationskenntnisse (es geht auch mit sehr wenigen oder ganz anderen Dingen etwas zu machen).
Mexikaner sind niemals pünktlich (damit umzugehen muss aber erlernt werden), die ständige Über- und Untertreibungen aller Art (macht aber mit der Zeit Spass es auch zu tun), eigentlich kehren sich die negativen Seiten mit der Zeit ins positive und hebt sich somit von selbst auf. Was schon mal nerven konnte ist das überall hinspucken, Saufen ohne Ende, Unverlässlichkeit, phantasievollste Ausreden jeglicher Art etwas nicht gemacht zu haben..
Kulturelle Unterschiede zu Europa
- die Familiengemeinschaft (und meist auch die Größe)
- das Zeitverständnis
- das Pflichtverständnis
- das durch Mark und Bein korrupte öffentliche System bis in höchste Ebenen
Siehe auch unsere Mexiko-Knigge oder die Buchempfehlung über die mexikanischen Fettnäpfchen
Mexikanischen Kultur
Alte Traditionen werden gepflegt und gelebt, mittlerweile sieht man aber einen Unterschied zwischen den sozialen Schichten, die mehrheitlich weniger gebildete Bevölkerung ist noch viel mehr verwurzelt, als die besser gebildete Oberschicht.
Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung sind deutlich, wobei letztere die schöneren Fiestas feiern. Der Generationswechsel ist natürlich auch sichtbar, wobei Jüngere halt eher westlichen Vorbildern nacheifern. Trotz allem sind Feiertage wie dia de la candelaria, semana santa, 16 de septiembre, dia de los muertos, dia de la virgen de Guadalupe und navidad immer noch sehr lebendig und werden ausgiebig zelebriert.
Dazu kommen natürlich noch jede Menge Familienfeiern wie Hochzeiten, Taufen, Jahrestage, Beerdigungen wo immer im großen Kreis gefeiert wird. In einem mehrheitlich katholischen Land erscheint mir der Kirchgang bei einigen nur ein nötiges Requisit wegen Familie oder den „anderen“ zu sein, eine wirkliche Überzeugung ist eher schwach ausgeprägt.
Durch die zurückhaltende Art bei wichtigen grossen Fragen hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine Opportunismus Kultur entwickelt, wo der stärkere sagt, wo es lang geht. So führte die Entwicklung zu einem durch und durch korrumpierten Staat, wo Kartelle die Regeln bestimmen, Politik käuflich ist und nur Interessen der betuchteren Klasse berücksichtigt werden. Diese Entwicklung ist irreversibel, man kann sich nur arrangieren, etwas zu ändern ist aussichtlos.
Rassismus untereinander
Rassismus gibt es überall auf der Welt, Mexiko ist da keine Ausnahme. Jedoch betrifft es nicht die Ausländer im Lande sondern Mexikaner praktizieren ihn untereinander. Die mehrheitlich weisse Oberschicht hat europäische Wurzeln, Menschen in der unteren Schicht meistens indigene Herkunft. Dieser Unterschied bestimmt meist den sozialen Status einer Person, besserer Job, höherer Bildungsstand, privilegierter je heller die Hautfarbe und umgekehrt.
Trotz allem bleibt es viel mehr eine Art sozialer Abstufung mit manchmal abwertenden Bemerkungen, Rassismus wie in Europa mit Übergriffen oder Gefahr um Leib und Leben sind mir nicht bekannt. Mexikos Bevölkerung ist seit Jahrhunderten ein Mix verschiedener Einflüsse und Mexikaner verstehen sich immer noch als ein Volk, vor allem nachts am 16. September, wenn alle zusammen den Nationalfeiertag feiern.
Tipps und Ratschläge zur Integration
Offen und gelassen an alles herangehen, niemals nach Maßstäben deiner Heimat urteilen. La vida mexicana ist in vielen Aspekten relaxter, die Mühlen mahlen deutlich langsamer, dennoch schafft man mit Beharrlichkeit auch hier seine Ziele.
Die Familie hat in Mexiko einen hohen Stellenwert, auf zahlreichen Festen lernt man viele Leute kennen und wird sehr schnell akzeptiert. Stubenhocker gibt es dort eigentlich nicht, das Leben spielt sich meist draussen zusammen mit anderen auf der Strasse, im Park oder auf dem Bolzplatz ab. Respektiere stets andere Traditionen und kulturellen Unterschiede, denk immer daran: du bist nur Gast in einem fremden Land. Mexikaner sind sehr kontaktfreudig und schnell wird es einfach auch zu deinem Land.
Vorteile als Ausländer in Mexiko
Man kommt schneller an der Warteschlange vorbei in einen Nachtclub, bekommt meist einen besseren Platz in der Bar und wird sehr zuvorkommend bedient. Im Gegenzug erwartet man höhere Umsätze, was ja oft sowieso der Fall ist und ein gutes Trinkgeld.
Wo in Mexiko verbringst du deinen Urlaub?
Natürlich am Pazifik. Sommer, Sonne, Strand und Meer, damit sind meine Kinder groß geworden. Meistens an der wunderbaren Costa Alegre, wo genau verrate ich jetzt nicht, weil ich dort immer noch gerne das Meer ohne große Menschenmassen geniessen möchte.
Übrigens sind Urlaubstage als Arbeitnehmer sehr lau gesät, also macht euch darüber nicht so viele Gedanken, das Land an sich bereichert schon ungemein und wenn es nur ein paar freie Tage sind.
Reisetipps
Strände
Archäologie
Städte
Attraktionen
- Vulkan Paricutin
- Schluchten der Barranca del Cobre
- Wasserfälle Huasteca Potosina
- El Arco de Cabo San Lucas
- Laguna Sian Ka’an
- Naturschutzgebiet Celestún
Mexikanische Lieblingsspeisen
Die Auswahl ist enorm und jede Gegend hat ihren eigenen Geschmack. Jedoch die Anmerkung, das Vegetarier oder Veganer daran nicht so sehr daran teilhaben können.
- Jalisco: tortas ahogadas, birria, carne en su jugo, tacos, tamales
- México: tortas de tamal, quesadillas de guisados (flor de calabaza, huitlacoche, rajas con elote), huaraches, sopa azteca
- Hidalgo: barbacoa
- Puebla: tacos árabes, mole poblano, chile en nogada, chalupas, tinga
- Monterrey: carne asada, machaca con huevo, cabrito, machitos, burritos norteños
In jeder Region etwas anders: gorditas, enchiladas, pozole, nopales, sopes, menudo, tacos de barbacoa, mole, fajitas, chicharrón, gringas, carnitas, guacamole, frijoles charros, vuelve a la vida, pipián, ceviche, cochinita pipil, caldo tlalpeño, tacos dorados, tostadas, tacos de pescado, volcanes, suegras, caldo de res, tlacoyos, mariscos, camaron, queso fundido, criadilla de toro, sincronizadas, huevos rancheros, a la mexicana, divorciados, revueltos, chilaquiles rojos/verdes usw.
Im Restaurant werden sofort nach dem Hinsetzen kleine Vorspeisen (mindestens nachos oder tostadas) und verschiedenste Salsas gereicht, damit die erste Getränkebestellung reibungslos erfolgen kann.
Mein Favorit sind Tacos, hier eine kleine Auswahl: al pastor, árabes, cabeza, lengua, chamorro, suadero, cachete, ojo, sesos, tripitas, asada, chorizo, arrachera, carnitas, barbacoa, Chicharrón, de mole, deshebrada, chilorio, adobada und so weiter…
Anekdote der Kokosnuss
Einmal sind wir über ein langes Wochenende zu einem sehr einfachen ländlichen Strand zum Camping gewesen. Es gab dort nur zwei kleine Restaurants mit einfachem Essen, die von den dort lebenden Anwohnern betrieben wurden. Es war wunderschönes Wetter, der palmengesäumte Strand traumhaft und das Ambiente mit den Kumpels grosse Klasse. Eines Morgens meinte meine Freundin, sie habe Appetit auf eine Kokosnuss. Ich hatte nirgends gesehen, wo jemand Früchte verkaufte und dachte schon daran mit dem Auto ins nächste Dorf zu fahren.
Der eine Restaurantbesitzer hiess Nicanor, dort hatte ich aber keine Kokosnüsse gesehen. Da kam plötzlich sein etwa 10-jähriger Sohn an meiner Hängematte vorbei, er hiess selbstverständlich auch Nicanor. Ich fragte ihn: „Hey Nicanor, wo gibt es denn hier Kokosnüsse?“ Der schaute mich völlig irritiert an und antwortete langsam aber souverän: Na auf den Palmen natürlich! Die Zuhörenden lachten sofort laut los, ich eher weniger. Nicanor dachte sicherlich, wie dumm diese Bleichgesichter eigentlich sind.
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