Mit dem Bus quer durch Mexiko
Dank der Beobachtungsgabe für Details des Autors wird es zu einer sehr kurzweiligen Busfahrt quer durch Mexiko. Reiseerlebnisse und Reisebericht im Bus von der im Westen Mexikos gelegenen Metropole Guadalajara in die mexikanische Hauptstadt Mexiko City.
Reisestart Guadalajara
Mariachi, Tequila und die Sehenswürdigkeiten in Guadalajara wussten zu begeistern. Da die Ortschaft nicht auf den üblichen Touristenrouten liegt, machte den Trip umso spezieller. Doch neigt sich der Aufenthalt nun dem Ende zu und die Weiterreise nach Mexiko-Stadt steht an. Normalerweise braucht man für diese Reise zwischen den beiden Millionenstädten keine Vorreservation eines Bustickets. Ich tauche einfach im riesigen Fernbus-Bahnhof ausserhalb von Guadalajara auf und hopse in den erst besten Bus.
Vorzüge einer Busreise
Die Schnellstrasse führt geradeaus und eben aus, nicht gerade die idealen Voraussetzungen für eine spannende Reise. Ich sitze in einem komfortablen Reisebus. Primera Plus (www.primeraplus.com.mx) heisst das Unternehmen. Das Plus verspricht einige Goodies wie individueller Bildschirm für das Entertainment an Bord, mit einer gratis WLAN-Verbindung ist man bestens vernetzt, herunterklappbare Sitze und Fussstützen für ein willkommenes Nickerchen, eigenes Leselicht, ein Lunchpaket etc. Alles in allem wie man es von Flugreisen gewohnt ist und das Verkehrsmittel in der Luft soll wohl auch kräftig konkurrenziert werden, auf einer Strecke die von der Distanz her geflogen oder gefahren werden kann.
„Bienvenidos, soy Pablo Aguilar su operador y estoy a sus ordenes.“ Der äusserst freundliche Fahrer schreitet durch den Bus, stellt sich vor und weist uns darauf hin, dass er vorne im Bus für jegliche Wünsche zur Verfügung stehe. Sympathisch vor allem der Hinweis, wo er dann sein werde, nämlich vorne! Ein guter Kundenservice beinhaltet, dass man das Servicepersonal nicht zuerst suchen muss. „Estoy a sus ordenes“, ist dann eine typisch mexikanische Floskel, die meist besser tönt, als dass der Chauffeur uns tatsächlich alle Wünsche zu erfüllen willig wäre.
Die Fahrgäste dösen grösstenteils vor sich hin. Einige ziehen sich einen Film rein, viele haben sich die Ohren verstöpselt, um sich mit ihrem individuellen Musikgeschmack berieseln zu lassen. Niemand liest und nur einer schreibt einen Reisebericht. An und ab durchzieht der penetrante Geschmack von mitgenommenen Tacos und Lonches (mexikanisches Sandwich) den ganzen Bus. Die stark eingestellte Lüftung behebt das Duftchaos jedoch bald und kühlt munter weiter, obwohl den meisten mit Pullovern und Jacken gekleideten Reisenden wohl eher zu kühl ist. Sollte man dies unserem Servidor, dem vorne sitzenden Fahrer Pablo Aguilar nun wohl melden?
Bus oder Bahn
Auf der Strecke von Guadalajara nach Mexiko-Stadt verkehren wohl alle 15 Minuten Busse der unterschiedlichen Transportunternehmen. Während der Administration des mexikanischen Präsidenten Vicente Fox (2000 bis 2006) wurde ein Projekt ausgearbeitet, um die beiden grössten Städte Mexikos mit einer Schnellbahn zu verbinden. Auch sein Nachfolger, Felipe Calderon, wollte seine 6-jährige Amtszeit mit dem Jahrhundertprojekt krönen.
Doch über die Planungsphase kam der Traum nie. Zu stark war der Gegenwind der Opposition, bestehend aus Bus- und Flug-Lobbyisten und sonstigen kurzdenkenden Vereitlern, welche Angst hatten zu kurz zu kommen im Business rund um den öffentlichen Verkehr. Ein solches Projekt würde wohl etlichen Busfahrern den Job kosten, doch würden damit auch neue Jobs bei der Eisenbahn geschaffen. Neuerdings ist ein chinesischer Hochgeschwindigkeitszug im Gespräch, es soll zumindest die Teilstrecke von Mexiko City nach Querétaro verwirklicht werden. Einsprachen der konkurrierenden Bahnbauer wie Siemens, Alstom und Bombardier waren die Folge, wie auch die politische Opposition. Schlussendlich verwarf die mexikanische Regierung das Projekt aufgrund der hohen Kosten.
Wegen dem fehlenden Bahnnetz, werden die meisten Güter auf der Strasse transportiert, entsprechend viele Lastwagen rollen auf den Autobahnen. Wir überholen etliche Lastwagen des Bierkonzerns Corona, scheint ein ganzer Konvoi zu sein. Das Bier wird also auch in Zentralmexiko in den nächsten Tagen nicht ausgehen. Auf der Überholspur sind einige Corona-Lastwagen sogar schneller als unser Bus, in irgendeiner Stadt wird wohl ungeduldig die Lieferung für das anstehende Wochenende erwartet.
In Zentralmexiko
Die entgegenkommenden Busse sind mit so entfernten Reisezielen in Nordmexiko wie Chihuahua (20 Stunden Fahrzeit), Tijunana, (48 Stunden Fahrzeit) und sogar amerikanische Städte wie San Diego und Houston angeschrieben. Wohl nur ein fehlendes Budget für einen Flug lässt einen Reisenden die Strapazen einer solch langen Reise auf sich nehmen.
Wir befinden uns nun im zentralen Mexiko, auf einer Hochebene auf rund 2000 Meter. In der Distanz erheben sich vereinzelt mit dürrem Gras und Büschen überwachsene Berge, nichts Attraktives, mehr wie grosse Hügel.
Ich konzentriere mich auf das Fensterkino. Ein Restaurant mit Dusche wird angepriesen und daneben sitzen drei Mexikaner gelangweilt vor einer „Vulcanizadora„. Ich liebe den Namen, der zwar nichts mit Vulkanen zu tun hat, jedoch kaputte Pneus wieder fahrbar macht. Wir fahren vorbei, niemand darf im Restaurant essen, duschen und die drei Mexikaner bleiben vorerst ohne Job.
Am Strassenrand steht ein Schild, welches auf den „Silenciador“ hinweist, also einen Schalldämpfer. Mein erster Gedanke wanderte ungewollt zu einer schallgedämpften Waffe, also hier darf nur lautlos geschossen werden oder ist ein Silenciador wohl doch ein Bestandteil des Motors?
In regelmässigen Abständen befinden sich Pemex-Tankstellen. Das staatliche Monopol wird im Franchisen-System betrieben. Dies ergibt das ungewohnte Bild von zwei bis drei der grün präsentierten Tankstellen hintereinander, wo verschiedene Unternehmer versuchen einen guten Standort streitig zu machen.
Autobahn nach Mexiko City
Die Autobahn ist kostenpflichtig, in regelmässigen Abständen muss je nach Anzahl Achsen ein Betrag bezahlt werden, ausser man hat eine installierte Zauberbox, wie dies unser Bus hat und ohne zu stoppen öffnet sich die Schranke und mit einem winke-winke ist man schon durch. Sehr praktisch, alle anderen stehen in der Warteschlange. Als Nebeneffekt der kostenpflichtigen Strassen, sind die Fahrzeuge in relative gutem Zustand. Die uralten Pick-up Trucks und nur knapp fahrtauglichen Busse sind auf die Nebenstrassen im Hinterland verbannt. Nissan, Chevrolet, Volkswagen, Chrysler, Ford, Toyota sind wohl die beliebtesten Automarken in Mexiko, in dieser Reihenfolge. Eruiert nicht durch eine statistische Erhebung während der Busreise, sondern nachträglich online recherchiert.
Brüderlich
Das Restaurant 5 Hermanos erhascht meinen Blick. Die Frage stellt sich, ob der Betrieb wirklich noch von 5 Brüdern geführt wird. Meist endet eine Businessidee mit zu vielen Verantwortlichen schnell mal in Streit und ich tippe auf eher einen der Brüder, der wohl noch anwesend gewesen wäre. Übrigens gibt es in Mexiko noch einen Milchverarbeitungsbetrieb der 19 Hermanos heisst. Auch da müsste man vielleicht die Brüder wieder mal nachzählen!
Manchmal erblickt man ein einsam stehendes Haus, welches mit einem darüber aufgerichteten Gerüst als Werbefläche missbraucht wird, ja fasst schon eingedrückt wird. Ob die Mietkosten damit wohl eingespielt werden?
Die Uhr im Bus geht eine Stunde und 12 Minuten vor, ich versuche trotzdem herauszufinden, wann wir dann wohl ungefähr ankommen würden. Die Anzeige der Temperatur von 17° ist wohl korrekt.
Fliessender Verkehr
Vom Norden her kommend, rollen wir anfänglich erstaunlich regelmässig dem nördlichen Busterminal entgegen, gibt es hier doch praktische keine Kreuzungen mit Lichtsignalen. Riesige Konstruktionen von Betonbrücken machen den Verkehr flüssig. Teilweise bestehen die Schnellstrassen aus zwei Stockwerke, oben ist es kostenpflichtig für die Privilegierten.
In der Megalopolis Mexiko-Stadt
Je mehr wir uns Mexiko City nähern, desto zäher wird der Verkehr. 6-spurig wälzen sich die Fahrzeuge in die Stadt. Drei Fahrspuren sind für den schnellen Verkehr – theoretisch – wir schleichen nun im Schritttempo vorwärts. Durch eine Baumallee und Maschenzaun getrennt, befinden sich seitlich drei weitere Fahrspuren für den lokalen Verkehr in die Agglomeration, auch dort stockt es. Stadtauswärts rollt es sich besser, eben Murphys Gesetz, man fährt immer in die falsche Richtung und befindet sich auf der falschen Spur.
Urbaner Dschungel
Fortschrittlich präsentieren sich die Strassenlampen. Diese haben wie ein Dach mit obenauf montierten Solarpanels. Ein krasser Gegensatz zum Bild abseits der Strasse – die Slums von Mexiko-Stadt. An den Hängen zieht sich das weniger fortschrittliche, trostlose, graue Häusermeer empor, ein Vorgeschmack der 25 Millionen in Mexiko City hausenden Menschen. Die Überbevölkerung der Vororte und Slums ist ein grosses Problem der Hauptstadt. Die Landflucht treibt immer mehr Leute hierher, mit der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Vor etwa 100 Jahren lebten nur 15 Prozent der Weltbevölkerung in Metropolen. Doch zieht es immer mehr Menschen in die urbanen Zentren. Bis 2030 sollen sogar 60 Prozent der Menschen in Städten hausen, wie wir in einem Artikel über die Metropolen der Zukunft gelesen haben. Unter den sechs Mega-Metropolen befindet sich auch Mexiko City.
Gemäss der irrelevanten Meinung des Reisebericht schreibenden Busreisenden, hat es vorher auf dem ländlichen Mexiko angenehmer ausgesehen, als hier in den Satellitenstädten des Multimillionen-Molochs. Obwohl die Lebensqualität wohl bescheiden ist dort, lebt man zumindest in Würde. Was man von den urbanen Ansiedlungen hier nicht behaupten kann.
Ein deutliches Zeichen der verdichteten Urbanisation ist der Anblick der ersten elektrifizierten Metrobusse. Diese verkehren weiter hinaus als die U-Bahn. Dank den separaten Fahrstreifen kommen die Pendler zügig voran, eine Wohltat und deutliche Entlastung der öffentlichen Verkehrsmittel in Mexiko-Stadt, weil damit Tausende von kleineren, grünen Microbusse ersetzt werden konnten. Auch die Umwelt atmete auf, waren die Kleinbusse doch wahre Dreckschleudern. Mit weiteren innovativen Maßnahmen kämpft die mexikanische Hauptstadt gegen die Umweltverschmutzung. Interessant ist das Projekt der vertikalen Gärten, wobei Hunderte Betonpfeiler bepflanzt werden, sie auch Reportage im Geo-Magazin.
Unser Bus drängt sich durch den Feierabendverkehr im Norden der Stadt. Er hält immer mal wieder an, um Gäste aussteigen zu lassen. Wohl nicht ganz regelkonform, aber die Ersparnis der Reisezeit für diese Leute ist wohl beträchtlich.
Grafitti-Künstler sind sehr aktiv in den Vorstädten, einige verschönern kunstvoll, andere betreiben puren Vandalismus. Fliegende Händler haben sich an den Strassenrändern positioniert und bieten ihre Waren feil.
Endstation Terminal del Norte
Plötzlich biegt der Bus in eine bescheidene Seitenstrasse ein und kurvt dann durch ein Wohnquartier. Zuerst dachte ich der Fahrer geht noch seine Familie grüssen in einem der zweistöckigen Häuser. Doch scheinbar handelt es sich wirklich um die offizielle Route zum Busterminal, dem Terminal del Norte, wo die Busse aus Guadalajara ankommen. Innerhalb weniger Minuten steht der Bus neben Duzenden Artgenossen und wir Fahrgäste gehen alle unserer Wege und verschwinden in der Anonymität der Grossstadt Mexiko City.
Reisebericht-Autor
Unser Reisebericht-Autor Manfred Herrmann reiste kürzlich zum dritten Mal duch Mexiko. Diesmal galt sein Fokus der Pazifiküste und den beiden Grossstädten Guadalajara und Mexiko City.
Autofahren in Mexiko
Fährst du lieber selbst Auto, also im Bus gefahren zu werden? In Mexiko gelten ganz eigene Vorschriften zum Autofahren – offizielle und inoffizielle.