Zugreise durch den Dschungel
Im Südosten Mexikos entsteht eines der größten Infrastrukturprojekte des Landes. Der »Tren Maya« – der Maya-Zug soll auf einer Strecke von 1500 km die fünf Bundesstaaten Chiapas, Tabasco, Campeche, Yucatán und Quintana Roo miteinander verbinden. Einerseits soll die lokale Bevölkerung vom neuen Transportmittel und den entstehenden Arbeitsplätzen profitieren, andererseits hofft die mexikanische Regierung unter Präsident Andrés Manuel López Obrador, den Tourismus anzukurbeln. Die Bahnstrecke bringt Besucher von der Tourismushochburg Cancún zu den Maya-Städten im Dschungel. Das Projekt Tren Maya ist in Mexiko höchst umstritten.
Der Präsident und sein kontroverses Bahnprojekt
Seit seinem Amtsantritt 2018, schwärmt der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador von seiner Vision des Tren Maya, der Arbeitsplätze, Fortschritt und Wohlstand in den Süden Mexikos bringen soll. Bis zum Ende seiner Amtszeit 2024 soll der Zug über die Halbinsel fahren, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 Stundenkilometern durch den Urwald brettern.
Federführend beim Projekt Tren Maya ist Fonatur, der Nationale Fonds zur Förderung des Tourismus (Fondo Nacional de Fomento al Turismo). Die Institution ist in Mexiko verantwortlich für die Planung und Entwicklung von Tourismusprojekten und eine Einrichtung zur Förderung von Investitionen. Untern anderem sind so die Urlaubsdestinationen Cancún, Ixtapa und Los Cabos entstanden.
Doch seit seiner Ankündigung hat das Projekt in Mexiko heftige Debatten entfacht. Einige sehen es als vielversprechendes neues Instrument für Tourismus und wirtschaftliche Entwicklung an. Zudem besteht die Hoffnung, dass der Maya-Zug sogar ein neues goldenes Zeitalter des Bahnreisens einläuten könnte. Andere befürchten jedoch, dass es zu einer ökologischen Katastrophe kommt, an einem der ökologisch und archäologisch sensibelsten Orte der Welt.
Projekt Maya-Zug in den Augen der Regierung
Entwicklungschance für den Südosten Mexikos
Die Entwicklung in der indigen geprägten Region im Südosten Mexikos hinkt den zentralen und nördlichen Bundesstaaten hinterher. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, der Mangel an einer adäquaten Verkehrsinfrastruktur kann als einer der Hauptfaktoren identifiziert werden. Das geplante Bahnnetz wird die wichtigsten Regionen der Halbinsel Yucatán verbinden, von den großen Touristenzentren bis hin zu den ländlichen Gemeinden. Dies wird eine Reihe von Möglichkeiten für Handel und soziale Entwicklung eröffnen, von denen die lokale Bevölkerung und regionale Unternehmen, sowie der nationale und internationale Tourismus profitieren.
Arbeitsplätze
Eines der Hauptziele des Maya-Zuges ist es, die Wirtschaft der Region anzukurbeln. Die Investition in dieses Projekt soll zum Wohl der Menschen im Südosten Mexikos führen. Mit dem Bau des Zuges werden während der Bauphase rund eine halbe Million Arbeitsplätze geschaffen.
Gütertransport
In der Region Yucatán gibt es ein enormes Wachstumspotenzial für den Güterverkehr. Produkte des Agrarsektors, Baustoffe und der Transport von Kraftstoffen können am meisten von der Bahn profitieren. Die Einsparung von Reisezeiten wird die Produktivität steigern, Unternehmen mit Mitarbeitern vernetzen und neue Produktionsketten generieren.
Rollmaterial
Ein Konsortium bestehend aus Alstom, Bombardier und einigen mexikanischen Unternehmen gewann die öffentliche Ausschreibung für das Rollmaterial. Geplant sind 42 Zugskompositionen des Typs Alstom X’Trapolis, 8 davon als Touristenzüge, die anderen als reguläre Kompositionen. Der Tren Maya wird mit traditionellen Farbkombinationen und grafischen Elementen der Region gestaltet. «Un tren por México, hecho en México.» Ein Zug für Mexiko, hergestellt in Mexiko», lautet ein Grundsatz der Planer. Produziert wird das Rollmaterial in einem Werk in Ciudad Sahagún, im Bundesstaat Hidalgo, in Zentralmexiko.
Zugreise durch Yucatán
Die geplante Bahnstrecke des Tren Maya ist ca. 1500 km lang und soll urbane Zentren und touristische Highlights in den Bundesstaaten Chiapas, Tabasco, Campeche, Yucatán und Quintana Roo miteinander verbinden. 18 Bahnhöfe und etliche kleinere Haltestellen sind vorgesehen.
Die Ingenieure wollen zu einem beachtlichen Teil bestehende Bahntrassen nutzen. Wo neue Gleise gebaut werden müssen, soll dies möglichst auf staatlichem Land erfolgen, entlang von bestehenden Schnellstraßen oder Stromleitungen, um Entwaldung und Landstreitigkeiten zu vermeiden.
Die Route verläuft rund um die Yucatán Halbinsel. Alles beginnt am Flughafen Cancún, dem wichtigsten Startpunkt für die touristische Nutzung der Zugreise. Im Uhrzeigersinn sieht es wie folgt aus:
- Osten: Cancún Flughafen – Playa del Carmen – Tulum – Felipe Carillo Puerto – Bacalar – Chetumal
- Süden: Chetumal – Calakmul – Escárcega
- Abstecher nach Chiapas: Escárcega – Palenque
- Westen: Escárcega – Campeche – Mérida
- Norden: Mérida – Izamal – Chichén Itzá – Valladolid – Cancún Flughafen
Tourismus
Der Südosten Mexikos bietet ein umfangreiches Angebot an touristischen Attraktionen: Strände mit kristallklarem Wasser, archäologische Stätten, die zum Teil zum Weltkulturerbe erklärt wurden, die unterirdischen Höhlen »Cenoten«, Nationalparks, Freizeitparks, magische Städte und viele mehr.
Allerdings sind nicht alle Destinationen gleich gut erschlossen, ihr Potenzial wurde nicht ausgeschöpft. Der Maya-Zug wird die alten Maya-Städte mit den modernen Metropolen verbinden. So haben Besucher die Möglichkeit, weitere Schätze der Halbinsel zu entdecken.
Maya-Zug in der Kritik
Umwelt- und Naturschutz
Nicht alle Mexikaner teilen die optimistische Sichtweise der Regierung. In ganz Mexiko haben sich Vereine und zivilgesellschaftliche Gruppen gegen das Projekt verbündet. Umweltorganisationen befürchten, dass das sensible Ökosystem auf der Halbinsel zu Schaden kommt. Das ohnehin knappe Grundwasser versickert. Etliche Naturschutzgebiete sind in Gefahr, insbesondere das Biosphären-Reservat von Calakmul. Hier leben bedrohte Tierarten wie Jaguar und Puma und es gedeihen vor dem Aussterben stehende Pflanzenarten. Die gleichnamige archäologische Stätte ist momentan nur schwer erreichbar. Nach der Fertigstellung der Zugstrecke, würde Calakmul mit dem Ansteigen des Tourismus an die Belastungsgrenze gelangen.
Bedenken der indigenen Bevölkerung
Indigene Gruppierungen kritisieren, das Tourismusprojekt komme nur den Reichen und Ausländern zugute. Die Einnahmen fließen schlussendlich nicht in die Gemeindekassen, sondern in die Taschen der Investoren aus Mexiko City. Zudem seien bei den Arbeitsplätzen für sie nur minderwertige Jobs verfügbar.
Viele Anwohner fürchten sich vor einer Umsiedlung, sie fordern eine Änderung der Linienführung des Zuges. Sie fühlen sich hintergangen und nicht einbezogen in das Projekt. An diesem Zug sei überhaupt nichts indigen, es sei eine Kommerzialisierung und Ausverkauf der Maya-Kultur im Namen des Tourismus.
Im Bundesstaat Chiapas verfügt die Zapatistische Befreiungsarmee (EZLN) über beträchtlichen Einfluss, einige Regionen werden von ihnen sogar verwaltet. Sie haben weiterhin Widerstand angekündigt, um die lokale Bevölkerung vor einer Vertreibung vom eigenen Land zu schützen.
Kosten
Die Kosten für die Bau der Eisenbahn werden aufgrund einer Reihe von Änderungen am Projekt ein Drittel höher sein als ursprünglich erwartet. Die Gesamtkosten werden jetzt auf über 200 Milliarden Pesos (9,8 Milliarden US-Dollar) geschätzt.
Ein gewichtiger Faktor ist dabei die Konstruktion einer 48 Kilometer langen Hochbahnstrecke zwischen Cancún und Tulum. Auch in Campeche wird ein erhöhte Gleisführung notwendig, aufgrund der Entdeckung einer prähispanischen Fundstätte.
Der Widerstand einer Gruppe von Einwohnern verhinderte die Route durch das Zentrum der Hafenstadt Campeche. Neuerdings gelangt der Tren Maya auch nicht mehr bis in Yucatáns Hauptstadt Mérida hinein. Der Bahnhof entsteht nun außerhalb der Metropole, was immerhin Bauzeit einspart.